Grenzen setzen: Wie man in Beziehungen mit Persönlichkeitsstörungen Klarheit schafft
Einleitung
Grenzen zu setzen klingt erst einmal einfach – ein klares „Nein“, ein Rückzug, wenn’s zu viel wird, oder das Bedürfnis nach Zeit für sich selbst. Doch in der Realität ist das oft alles andere als leicht. Besonders in Beziehungen mit Menschen, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden – sei es Borderline, narzisstische oder histrionische Persönlichkeitsstörung – wird das Thema noch komplexer. Warum? Weil in solchen Beziehungen häufig emotionale Dynamiken auftreten, die Klarheit und Stabilität auf eine harte Probe stellen.
Grenzen helfen dabei, den eigenen Raum zu wahren und Überforderung zu vermeiden. Sie sind wie ein Schutzschild für unsere seelische Gesundheit. Gerade dann, wenn emotionale Manipulation, Nähe-Distanz-Probleme oder übermäßige Abhängigkeit im Spiel sind, braucht es klare Linien.
Doch wie erkennt man eigentlich die eigenen Grenzen? Wie kommuniziert man sie ohne Schuldgefühle oder Angst vor Eskalation? Und was tut man, wenn der*die andere diese Grenzen nicht respektiert?
Lass uns gemeinsam eintauchen in ein wichtiges Thema – mit vielen Beispielen, konkreten Tipps und einem klaren Ziel: Mehr Selbstschutz, mehr Klarheit und gesündere Beziehungen.
Was sind Grenzen überhaupt?
Grenzen sind unsichtbare Linien, die festlegen, wo du aufhörst und wo der andere beginnt – emotional, körperlich und gedanklich. Sie helfen dir dabei, deine Bedürfnisse und Werte zu schützen.
Emotionale Grenzen
Diese betreffen deine Gefühle und den Umgang damit. Du hast das Recht, emotional nicht verfügbar zu sein, wenn dir etwas zu viel wird.
Beispiel:
Deine Partnerin ruft dich zehnmal am Tag an, weil ersie Angst hat, du könntest ihnsie verlassen. Du fühlst dich überfordert. Eine emotionale Grenze wäre:
„Ich kann verstehen, dass du Angst hast, aber ich brauche meinen Freiraum. Ich antworte dir, wenn ich kann, nicht sofort.“
Physische Grenzen
Diese betreffen deinen Körper und deinen persönlichen Raum.
Beispiel:
Wenn jemand dich ungefragt umarmt oder zu nahe kommt, obwohl du das nicht möchtest, darfst du sagen:
„Ich fühle mich unwohl, wenn man mir so nah kommt. Bitte respektiere meinen Raum.“
Mentale Grenzen
Diese beziehen sich auf deine Gedanken, Meinungen und Überzeugungen. Du hast das Recht, anderer Meinung zu sein und dich nicht in Diskussionen hineinziehen zu lassen, die dir nicht guttun.
Beispiel:
Wenn deine Partnerin deine Sichtweise ständig infrage stellt oder dich manipulativ in Diskussionen verwickelt, kannst du sagen:
„Ich sehe das anders und möchte das Thema jetzt ruhen lassen.“
Wie erkennt man eigene Grenzen?
Grenzen zu setzen beginnt mit dem Erkennen der eigenen Bedürfnisse. Doch das ist gar nicht so leicht – vor allem, wenn man es gewohnt ist, sich anzupassen oder Harmonie um jeden Preis herzustellen. Hier sind ein paar Techniken, die dir helfen können:
1. Tagebuch führen
Schreibe dir auf, in welchen Situationen du dich unwohl fühlst. Achte dabei besonders auf körperliche Reaktionen wie Herzklopfen, Engegefühl in der Brust, Nervosität oder Erschöpfung.
Beispiel:
„Immer wenn wir uns streiten, schreit er mich an, und ich fange an zu zittern. Danach bin ich total erschöpft.“
Diese Reaktion zeigt dir: Hier wurde eine Grenze überschritten.
2. Achtsamkeit üben
Achte bewusst auf deine Gefühle im Alltag. Wenn du merkst, dass du dich überfordert, ausgenutzt oder verletzt fühlst, ist das ein Warnsignal.
Tipp:
Stell dir die Frage: „Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte, den anderen zu verletzen?“ Die Antwort zeigt dir oft deine echte Grenze.
3. Alte Muster hinterfragen
Wurdest du als Kind oft übergangen oder hast gelernt, immer stark sein zu müssen? Dann fällt es dir vielleicht schwer, Grenzen zu setzen. Sich das bewusst zu machen, ist der erste Schritt zur Veränderung.
Wie kommuniziert man Grenzen?
Grenzen setzen heißt nicht, laut zu werden oder zu drohen. Es geht um Klarheit, nicht um Konfrontation. Wichtig ist: Deine Bedürfnisse sind genauso wichtig wie die des anderen.
Klare Sprache, keine Vorwürfe
Statt:
„Du bist immer so anstrengend!“
besser:
„Ich merke, dass ich mich nach unseren Gesprächen oft erschöpft fühle. Ich brauche danach eine Pause.“
„Ich“-Botschaften verwenden
Sie helfen, Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen, ohne den anderen zu beschuldigen.
Formulierungsbeispiele:
- „Ich fühle mich überfordert, wenn du so oft anrufst.“
- „Ich brauche Zeit für mich, damit ich besser reagieren kann.“
- „Ich möchte, dass du mich ausreden lässt, bevor du antwortest.“
Timing ist alles
Sprich über Grenzen nicht im Affekt, sondern in ruhigen Momenten. Plane das Gespräch, nimm dir Zeit und bleibe bei dir.
Tipp:
Beginne mit Anerkennung:
„Ich sehe, wie schwer dir diese Situation fällt. Gleichzeitig möchte ich dir etwas sagen, das mir wichtig ist…“
Tipps für schwierige Situationen
In Beziehungen mit Persönlichkeitsstörungen werden Grenzen oft herausgefordert. Die Person kann sehr emotional reagieren, Schuldgefühle auslösen oder die Grenze ignorieren. Hier ein paar Strategien:
1. Ruhig bleiben
Atme tief durch, wenn dein Gegenüber laut oder manipulativ wird. Du musst nicht alles beantworten. Du darfst auch einfach sagen:
„Ich steige jetzt aus dem Gespräch aus. Wir reden später weiter.“
2. Wiederhole deine Grenze
Wenn dein Gegenüber deine Grenze nicht akzeptiert, wiederhole sie ruhig, aber bestimmt. Du musst dich nicht rechtfertigen.
Beispiel:
„Ich habe gesagt, ich möchte heute Abend allein sein. Daran hat sich nichts geändert.“
3. Schutz suchen
Wenn Gespräche allein nicht ausreichen, hole dir Unterstützung:
- Mediation: Eine neutrale dritte Person kann helfen, Missverständnisse aufzuklären.
- Therapie: Für dich selbst, um deine Grenzen zu stärken. Oder als Paartherapie, wenn beide Seiten bereit sind.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr entlastend sein.
Grenzen setzen bei narzisstischer oder borderline-geprägter Dynamik
Beispiel – Beziehung mit einer Person mit narzisstischer Tendenz:
Du sagst:
„Ich möchte nicht, dass du in meinen Nachrichten liest.“
Antwort:
„Was hast du zu verbergen?“
Hier ist Manipulation im Spiel.
Deine Antwort könnte sein:
„Mir geht es nicht um Verheimlichung, sondern um Vertrauen. Ich brauche meine Privatsphäre.“
Beispiel – Beziehung mit einer Person mit Borderline-Diagnose:
Du willst ein Wochenende allein verbringen. Deine Partnerin reagiert mit Wut und Panik.
„Du willst mich verlassen! Ich bin dir egal!“
Solche Reaktionen können dich unter Druck setzen.
Deine Antwort könnte lauten:
„Ich verstehe, dass dich das verunsichert. Aber ich brauche Zeit für mich, um Kraft zu tanken. Ich komme zurück – das ist sicher.“
Schlusswort
Grenzen zu setzen ist kein Egoismus – es ist ein Akt der Selbstfürsorge. Besonders in Beziehungen mit Persönlichkeitsstörungen sind sie überlebenswichtig. Sie helfen dir, Klarheit zu schaffen, dich selbst nicht zu verlieren und einen gesunden Umgang miteinander zu ermöglichen.
Aber: Das ist ein Prozess. Man lernt es nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit, Übung, manchmal auch Rückschläge. Doch jede gesetzte Grenze ist ein Schritt in Richtung Selbstachtung.
„Grenzen zu setzen heißt nicht, andere auszusperren – sondern sich selbst Raum zu geben.“
Na klar, Sascha – hier kommt ein Glossar mit Erklärungen zu allen wichtigen Begriffen aus dem Artikel. Es ist verständlich formuliert, sodass Leser*innen auch ohne psychologisches Vorwissen alles nachvollziehen können.
Glossar:
Grenzen
Grenzen sind persönliche Linien, die zeigen, wo dein Wohlbefinden, deine Werte und deine Bedürfnisse beginnen – und wo du aufhörst, dich verantwortlich für das Verhalten oder die Gefühle anderer zu fühlen. Sie schützen deine emotionale, mentale und körperliche Gesundheit.
Emotionale Grenzen
Diese betreffen deine Gefühle und wie du sie mitteilst oder dich vor Überforderung schützt.
Beispiel: „Ich kann dir zuhören, aber ich brauche danach Ruhe für mich.“
Physische Grenzen
Diese betreffen deinen Körper und deinen persönlichen Raum. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, selbst zu entscheiden, was sich körperlich gut oder unangenehm anfühlt.
Beispiel: „Bitte fass mich nicht an, wenn ich das nicht möchte.“
Mentale Grenzen
Mentale Grenzen schützen deine Gedanken, Überzeugungen und Meinungen. Sie helfen dir, dich gegen Manipulation oder ständige Kritik abzugrenzen.
Beispiel: „Ich verstehe deine Meinung, aber ich sehe das anders.“
Persönlichkeitsstörung
Eine Persönlichkeitsstörung ist eine psychische Erkrankung, bei der bestimmte Verhaltens- oder Denkmuster stark ausgeprägt sind – oft so sehr, dass sie das soziale Miteinander oder die Beziehung zu anderen stark belasten.
Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS)
Menschen mit dieser Störung erleben starke Schwankungen in ihren Gefühlen, haben oft große Angst vor dem Verlassenwerden und zeigen intensive, manchmal sprunghafte Beziehungen.
Typisch: Schwarz-Weiß-Denken („Du bist entweder ganz toll oder ganz schrecklich.“)
Narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS)
Menschen mit narzisstischen Zügen oder dieser Störung haben oft ein übersteigertes Selbstbild, verlangen Bewunderung und können nur schwer Kritik ertragen. Empathie für andere fehlt häufig.
Typisch: Manipulation, Gaslighting, Abwertung.
Ich-Botschaften
Kommunikationsform, bei der du deine Gefühle und Bedürfnisse benennst, ohne dem anderen die Schuld zu geben.
Beispiel: Statt „Du machst mich fertig“ → „Ich fühle mich verletzt, wenn du laut wirst.“
Gaslighting
Psychologische Manipulation, bei der jemand versucht, dich an deiner eigenen Wahrnehmung oder deinem Verstand zweifeln zu lassen.
Beispiel: „Das hast du dir nur eingebildet – das war nie so.“
Trigger
Ein Reiz oder eine Situation, die eine starke emotionale Reaktion auslöst – oft wegen vergangener Erfahrungen oder Traumata.
Beispiel: Kritik kann bei manchen Menschen alte Verletzungen aktivieren.
Achtsamkeit
Die Fähigkeit, bewusst im Moment zu leben und wahrzunehmen, was du gerade fühlst – ohne zu bewerten.
Beispiel: Spüren, wann du innerlich unruhig wirst, und rechtzeitig eine Pause machen.
Mediation
Ein strukturiertes Gespräch mit einer neutralen dritten Person, das helfen soll, Konflikte zu lösen, wenn direkte Gespräche nicht mehr möglich oder zu emotional sind.
Selbstfürsorge
Aktives Kümmern um die eigenen Bedürfnisse – körperlich, seelisch und mental. Dazu gehört z. B. Auszeiten zu nehmen, Nein zu sagen oder Hilfe anzunehmen.
Manipulation
Ein Verhalten, bei dem jemand versucht, dich zu etwas zu bewegen oder zu kontrollieren – oft auf eine versteckte oder emotionale Weise.
Beispiel: „Wenn du mich wirklich liebst, würdest du das für mich tun.“
Schuldgefühle
Ein unangenehmes Gefühl, das entsteht, wenn man glaubt, etwas falsch gemacht oder jemanden enttäuscht zu haben – oft auch dann, wenn es objektiv keinen Grund dafür gibt.