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SRF: Queer in der Freikirche – “Sie haben mich so lange gemobbt, bis ich gegangen bin

Homosexualität und Transidentitäten gelten in vielen konservative Freikirchen als unmoralisch. Menschen, die sich outen, erleben innerhalb der Glaubensgemeinschaft häufig Ablehnung und Diskriminierung. Gibt es Hoffnung auf Veränderung?

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Klimaaktivisten haben hier gewonnen – und keiner redet darüber 

2025 ist ein Jahr des Umschwungs und keiner sagt es dir? Wenn du in einer Zeit, in der die meisten Politiker:innen vorgeben, dass wir nur noch Krisenmodus haben, nach Good News nur so ächzt, dann ist dieser Artikel für dich. Klimaaktivisten haben nämlich viel erreicht, sogar mehr als du denkst. Ja, für das 1,5-Grad-Ziel sieht es nicht gut aus. 2025 könnte aber der Höhepunkt der Ölnachfrage sein – das heißt: Ab sofort könnte es stetig bergab gehen – und das prognostiziert von einem Ölkonzern! Die CO₂-Emissionen Chinas könnten bereits gefallen sein oder fallen dieses Jahr. 2025 dürfte die erneuerbare Energieerzeugung weltweit auch die Stromerzeugung aus Kohle überholen

Ganz viele Entwicklungen gehen bereits in eine gute Richtung, um den Klimawandel zu stoppen. Wir wissen, wie es geht. Und genau deswegen ist das ein Artikel für DICH: Obwohl es sehr wichtig ist zu wissen, wie drastisch der Klimawandel voranschreitet, sollten wir alle nicht vergessen oder ignorieren, was alles viel besser klappt als erwartet, um nicht die Hoffnung und schlussendlich die Motivation zu verlieren, um gemeinsam immer weiter für mehr Klimaschutz zu kämpfen. Es ist nicht alles verloren – deswegen müssen wir dran bleiben.

Wir erleben ein Jahr des Umschwungs

Die Effekte der Klimademos sind messbar. Die Proteste beeinflussten laut einer Datenanalyse auch die Kommunikation von Politikern. Sie führten zu einer signifikanten Erhöhung der Bedeutung des Themas in allen Bevölkerungsteilen. Aber war das ein Strohfeuer? Schauen wir auf die Fakten:

BP (British Petroleum, also ein britischer Ölkonzern!) sagt nun für 2025 den Höhepunkt der Ölnachfrage vorher. Und zwar nicht wegen leerer Reserven, wie es lange vorhergesagt wurde, sondern wegen E-Autos. E-Autos führen also dazu, dass die Ölnachfrage ab jetzt nur noch sinken wird, bis sie irgendwann ganz aufhört. Dass ein Ölkonzern diese Tatsache verlautbaren lässt, mag da schon etwas heißen.

Die chinesischen CO₂-Emissionen könnten schon gefallen sein oder dieses Jahr fallen. Dieses Ziel war bisher für 2030 gesetzt:

The news getting you down? I invite you to stare at this chart of solar and wind deployed capacity in China.They blew past their ambitious 2030 target… last July.

Leah Stokes (@leahstokes.bsky.social) 2025-02-04T22:44:16.308Z

2025 dürfte die erneuerbare Energieerzeugung auch die Stromerzeugung aus Kohle überholen. Kohlestrom in der EU sinkt auf einen Anteil von unter 10 %. Dir sind die Klimaziele zu langsam? Tja, die IEA sagt voraus:

„Global renewable capacity is expected to grow by 2.7 times by 2030, surpassing countries’ current ambitions by nearly 25 %.“

„Globale erneuerbare Kapazität wird um den Faktor 2.7 wachsen bis 2030 und dabei die aktuellen Ziele der Länder um fast 25 % überschreiten.“

Warum geht das so schnell?

2024 wurden 92 Mio. Tonnen Braunkohlen in Deutschland gefördert, so wenig wie zuletzt im Jahr 1916.energy-charts.info/downloads/St…

Bruno Burger (@energy-charts.bsky.social) 2025-02-12T06:41:05.191Z

Preise für Solarmodule sinken drastisch 

Ein Freund hat mir 2022 ein Panel mit 400W Leistung für meine Balkonsolar verkauft, das damals einen Neuwert von 180 € hatte. Im Jahr 2025 bekommt man ein ähnliches Panel für 50 €. Die absoluten Niedrigpreise in der EU sind sogar nochmal halb so hoch. Kaum ein anderes Produkt hat einen solchen Preisverfall erlebt. Das führt zur absurden Situation, dass teilweise die Aufständerung für ein Panel teurer ist als das Panel selbst. 

Praktisch überall werden Solarmodule gebaut: Doppelseitige Solarzellen senkrecht auf Felder, Solarzellen als Gartenzaun, Solarzellen auf Seen. 

Gestern habe ich Europas 1. Solar-Radweg besucht. Er steht in Freiburg, ist auf 300m mit 900 PV-Modulen überdacht, liefert Strom für rund 180 Menschen und schützt Radfahrer. Ein tolles Vorzeigeprojekt, dass Verkehrs- & Energiewende vereint. Ich hoffe, er wird vielen Kommunen zur Inspiration dienen❤️

Ingwar Perowanowitsch (@ingwarpero.bsky.social) 2025-01-12T11:11:47.025Z

Allein die Solaranlagen, die seit 2019 in der EU zugebaut wurden, haben 50 Kohlekraftwerke ersetzt. Der Ausbau geht viel schneller als das Prognosen für möglich gehalten hätten:

Batteriepreise sinken ebenso

Energie-Wende Gegner argumentieren gegen die Klimaaktivisten gern mit der Schwankung von Erneuerbaren. „Aber was machen wir nachts“?, fragen sie. Doch diese Frage ignoriert, dass wir beim Speichern des erneuerbaren Stroms viel besser geworden sind. Ein Beispiel: Lithium Batterien sind um 97 % günstiger als noch 1991:

Stationäre Speicher mit Lithium-Iron-Phosphaten wurden in China jetzt für 63 $ / kWh angeboten. Zum Vergleich: Der Tagesverbrauch einer Person in Deutschland liegt um die 5 kWh. Auch in Deutschland werden daher immer mehr Speicher zugebaut. Mittlerweile kann Deutschland den Stromverbrauch von 2 Millionen Haushalten in Akkus speichern. Diese Menge legte zuletzt um 50 % zu – in nur einem einzigen Jahr. Das Handelsblatt spricht von einem Batterie-Tsunami. Die Zunahme der Batteriekapazität kannst du hier sehen:

In der Vergangenheit haben Kritiker noch richtigerweise anmerken können, dass Erneuerbare ja nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Das trifft nicht mehr zu. Solarenergie ist jetzt sogar mit Batterie günstiger als fossile Brennstoffe und Nuklearenergie. Das sieht man hier an der Grafik beispielsweise bei „PV-utility scale Battery“ (also Großanlagen mit Riesen-Akkus), aber sogar Heimanlagen rechnen sich.

Wind

Die ZEIT hat ausgewertet, dass Deutschland nun doch seine Ausbauziele für 2030 erreichen könnte – wenn die genehmigte Anlagen gebaut werden und der aktuelle Trend anhält. Weltweit nimmt der Windenergie-Ausbau schon rasant zu: 

Wind und Sonne ergänzen sich in Deutschland gut: In Monaten mit weniger Sonne gibt es dafür mehr Wind:

Windkraft ist auch immer weniger abhängig von Subventionen. Subventionen dienen aktuell vor allem dem Risikoabbau für Investoren und ermöglichen so einen schnelleren Ausbau. Die meiste Zeit über sind Windkraftanlagen in Deutschland auch ohne Subventionen rentabel:

Weil Frau Weidel gestern kompletten BS zur angeblichen Vergütung von Windenergieanlagen erzählt hat…Windenergieanlagen laufen mit dem Marktprämienmodell. Wenn der Stromwert über dem anzulegenden Wert liegt, fließt keine Marktprämie.

Stefan Holzheu (@holzheustefan.bsky.social) 2025-02-14T11:17:03.405Z

Eine Dosis Optimismus ist nötig

Viele Entwicklungen, die wir derzeit beobachten, und viele Zukunftsprognosen geben Hoffnung und Mut, immer weiter für mehr Klimaschutz zu kämpfen. Dazu kannst du selbst ebenfalls beitragen. Etwa, indem du für mehr Klimaschutz auf die Straße gehst, öffentliche Verkehrsmittel nutzt oder auf eine PV-Anlage umsteigst. Wir haben gesehen, dass Klimaaktivisten in der Vergangenheit etwas bewirkt haben und es wird weiter wirken.

Klar ist aber auch: Wir als Individuen haben begrenzte Möglichkeiten, nicht jede:r kann sich eine PV-Anlage leisten oder darüber entscheiden. Auch das Pariser 1,5-Grad Ziel ist realistisch gesehen nicht mehr erreichbar. Resignation ist für uns alle aber keine Wahl, gerade jetzt, wo viele positive Entwicklungen für den Klimaschutz zu beobachten sind, dürfen wir nicht aufgeben. Die Zukunft kann gut werden. 

Zum Thema:

Diese 3 Fakten über Klimaanlagen kanntest du vielleicht noch nicht

Artikelbild: Christian Charisius/dpa

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Fachtag: „Wir haben ein Recht auf Heilung“ – Forderungen Betroffener rechter Gewalt

Belltower.News

Erstmalig fand am Freitag in Berlin der Fachtag „Opferschutz und Opferhilfe“ statt. Es geht hier nicht nur um die Erfahrungen Überlebender rechter Gewalt, sondern um ihre Expertise und ganz konkrete Forderungen an die Politik – besonders beim Gesetz zur Opferentschädigung, SGB XIV.

Von Kira Ayyadi| 18. November 2024
Said Etris Hashemi ist von dem rechtsextremen Terroranschlag am 19.02.2020 in Hanau direkt betroffen. Er verlor bei dem Anschlag seinen jüngeren Bruder Said Nesar und viele seiner Kindheitsfreunde. Er selbst überlebte den rassistisch motivierten Anschlag mit mehreren Schusswunden nur schwerverletzt.

„Das heute ist ein einmaliger Moment, den es so noch nie gab, nutzen wir ihn, um wichtige Veränderungen anzustoßen“, sagt Said Etris Hashemi am Freitagmorgen im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“. Er überlebte 2020 schwerverletzt die rechtsextreme Terrortat von Hanau. Sein jüngerer Bruder und viele seiner Kindheitsfreunde überlebten den Anschlag nicht. Hashemi ist einer der vielen Überlebenden und Betroffenen rechter Gewalt, die an diesem Tag sprechen. Am 15. November fand in Berlin der erste Fachtag „Opferschutz und Opferhilfe“ aus der Perspektive von Betroffenen statt. Heute sei ein besonderer Tag für Betroffene, der sich, so Hashemi, anfühle wie ein kleiner Erfolg. „Nutzen wir ihn, um wichtige Veränderungen anzustoßen“. Und dass sich etwas verändern muss, wird schnell deutlich, wenn man den Betroffenen zuhört. Sie erzählen, wie sie von deutschen Behörden von Opfern zu Tätern gemacht, retraumatisiert und teils nach den rechtsextremen Anschlägen sogar abgeschoben wurden.

Überlebende bringen hier ihre Expertise ein, damit ihre Perspektiven stärker in Entscheidungsprozesse einfließen. V.l.n.r.: Izabela Tiberiade, Christina Feist, Said Etris Hashemi, Gamze Kubaşık; Quelle: Kira Ayyadi

Viele Überlebende rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt leiden stark unter dem Erlebten. Damit die Vergangenheit nicht ihre Zukunft bestimmt, brauche es angemessene Reparationen. Es geht um die Forderung nach Heilung, darum, sein altes Leben wiederzubekommen. Das mag für viele selbstverständlich wirken – ist es jedoch nicht. Die Betroffenen schildern eindrücklich, wie Behörden, Polizei oder die jeweiligen Landesämter seelischer und psychischer Heilung aktiv im Weg stehen.

„Ich bin heute hier, um auf den Tisch zu hauen“, erklärt etwa Christina Feist. Sie war am 9. Oktober 2019 in der Synagoge in Halle, als ein Rechtsextremer versuchte, hier ein Massaker anzurichten. „Seither lebe ich mit einem Gefühl der absoluten Aussichtslosigkeit“ und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie schildert etwa, wie der Amtsarzt des Landesamts für Gesundheit und Soziales, an ihrer Traumatisierung zweifelt, sie gar retraumatisiert. Sie erinnert an Shirel Golan, einer Überlebenden des Hamas-Massakers vom 7. Oktober 2023, die sich jüngst suizidierte. „Ohne meine Traumatherapeutin würde ich hier heute nicht stehen“, so Faust. Trotz all dem, was ihr widerfahren ist, muss sie die Therapie selber zahlen. Deutsche Behörden stehen ihrer Heilung aktiv im Weg. Gamze Kubaşık, Tochter von Mehmet Kubaşık, der am 4. April 2006 vom rechtsterroristischen NSU in Dortmund erschossen wurde, spricht von einem „entwürdigenden Prozess“ gegenüber den Behörden, um zu beweisen, dass man traumatisiert sei. Die Beweislast liegt immer noch bei den Betroffenen, kritisiert sie. Das müsse sich ändern. 

Gamze Kubaşık ist die Tochter von Mehmet Kubaşık, der am 4. April 2006 vom rechtsterroristischen NSU in Dortmund erschossen wurde. Sie spricht von einem entwürdigen Prozess, beweisen zu müssen, dass Opfer traumatisiert seien; Quelle: Kira Ayyadi

Das „schnelle Hilfe“-Gesetz zur Opferentschädigung muss überarbeitet werden

Opfer von Gewalttaten haben das Recht auf Hilfe vom Staat durch das zu Beginn 2024 reformierte Gesetz zur Opferentschädigung, SGB XIV. Das Gesetz soll die medizinische, psychologische und auch finanzielle Unterstützung von Betroffenen erleichtern. Auch Angehörige, Hinterbliebene und Nahestehende haben ein Anrecht auf diese „schnelle Hilfe“. Die Hoheit, ob jemand ein Anrecht hat, obliegt dabei den Behörden. In einem aufwändigen Verfahren müssen Betroffene die erlebte Gewalttat gegenüber den Behörden nachweisen, die im Umgang mit traumatisierten Menschen oft nicht geschult sind und die die Wirkweisen von strukturellem Rassismus und Antisemitismus nicht kennen. Das kann zu Retraumatisierung führen. Während der langen Bearbeitungszeiten geraten Betroffene oft in existenzielle Nöte, was ihre Trauma-Bewältigung erschwert. Besonders schwierig ist die Situation für im Ausland lebende Opfer. Auch ältere Fälle bleiben unzureichend berücksichtigt.

Die Überlebenden rechter Gewalt fordern am Freitag, dass das SGB XIV zur „schnellen Hilfe“ nachgebessert werden muss. Die Bürokratie muss abgebaut und die finanzielle Leistung angepasst werden. Zuständig für das soziale Entschädigungsrecht sind die Länder und die Kommunen. Eine bundesweit agierende Behörde für alle Betroffenen könnte hingegen dazu führen, dass die Zuständigkeiten klarer geregelt würden, so eine Überlegung am Freitag. Darüber hinaus fordern die Überlebenden ein Bleiberecht für Betroffene rechter Gewalt, damit sie ihre Ansprüche und ihre Rechte einfordern können.

Mit blumigen Worten und leeren Phrasen der Politiker*innen, die sich nach rechten Anschlägen schockiert zeigen, können sie ihr Leben nicht bestreiten. Die Überlebende brauchen keine Worte, sie brauchen echte Hilfe. Denn, so die Halle-Überlebende Christina Feist: „Wir haben ein Recht auf Heilung“.

Veranstaltet wurde das Zusammentreffen von der Amadeu Antonio Stiftung in Kooperation mit dem Solidaritätsnetzwerk der Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG).

BR Podcast: Queere Serienmorde in Kanada – was haben Rassismus & Queerfeindlichkeit damit zu tun

Warum konnte Bruce McArthur über Jahre hinweg ungestört queere Männer töten? Was hatten Queerfeindlichkeit und Rassismus damit zu tun und wie viel Schuld trägt die Polizei, dass der Fall über Jahre hinweg nicht geklärt werden konnte? Darüber reden Dimi Stratakis und Sophia Sailer im True Crime Special von Willkommen im Club. Die Folge ist im Rahmen des BR Podcastfestivals aufgezeichnet worden.

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Belltower.News

Ein Jahr nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023. Immer noch über hundert Geiseln in den Händen von Terroristen. In Gaza tobt Krieg, aus dem Libanon und dem Iran wird Israel mit Raketen beschossen. Währenddessen wird jüdisches Leben in Deutschland, Europa und dem Rest der Welt massiv bedroht. Angriffe, Schmierereien, Drohkulissen auf den Straßen. Was heißt das ganz praktisch, was ist im letzten Jahr passiert und wie geht es jetzt weiter? Was tun gegen Antisemitismus nach dem 7. Oktober? Darum geht es in [tacheles_3]. Ein Gespräch mit Rosa Jellinek über feministische Gruppen, die Vergewaltigungen ignorieren und mittelalterlichen Judenhass, der heute neue Formen annimmt.

Von Alissa Weiße| 17. Oktober 2024
[tacheles_3]

(Quelle: Unsplash)

Belltower.News: Ein Jahr nach dem 7. Oktober. Was hat sich verändert, vor allem in Hinsicht auf feministische Gruppen und Allianzen?
Rosa Jellinek: Die größte Veränderung ist der massive Anstieg der antisemitischen Straftaten, Übergriffe und Beleidigungen – das zeigt sich eindeutig in den Zahlen von RIAS oder den Beratungsanfragen bei OFEK, oder auch in der Polizeistatistik. Antisemitismus ist extrem angestiegen und auch progressive, queere feministische Gruppen sind mit dem Thema 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg beschäftigt. Das sieht man ganz besonders in Berlin, aber auch deutschlandweit. Und es gibt unter diesen Gruppen auch einige sehr laute, die sich antiisraelisch positionieren. Ich sage bewusst antiisraelisch, weil ich diese übliche Gegenüberstellung – entweder propalästinensisch oder pro israelisch – für zu kurz und zu klein gedacht halte.

Warum?
Viele Leute können sich da überhaupt nicht verorten. Und ich habe kein Problem mit propalästinensischen Gruppen, sondern eben mit solchen, die sich gegen die Existenz des israelischen Staates richten. Zum Vergleich: Russland führt seit Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und ich habe noch nie gehört, dass Linke oder wer auch immer davon sprechen, dass der russische Staat deshalb abgeschafft werden müsste. Die ganze komplexe Situation wird von diesen Gruppen extrem stark simplifiziert.

Wie blicken diese Gruppen auf den sogenannten Nahostkonflikt?
Es ist eine ganz einfache Aufteilung:  auf der einen Seite die Unterdrücker*innen, auf der anderen die Unterdrückten. Israel ist der unterdrückende Kolonialstaat. Dass die Situation aber sehr viel komplexer ist, wird in so einem Narrativ nicht dargestellt. Leider haben das einige feministische Gruppen übernommen, die sich nur sehr einseitig positionieren. Und das hat sich auch verändert: Dass der sogenannte Kampf für die Befreiung Palästinas so breit – nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt – in solchen Gruppen aufgenommen und als oberste Priorität angesehen wird.

Gibt es auch positive Entwicklungen?
Es sind neue Bündnisse und Netzwerke entstanden wie z. B. Feminism Unlimited, die sich sehr ausgewogen positionieren, eben auch explizit gegen diese antisemitischen Entwicklungen in feministischen Gruppen und trotzdem palästinensische Positionen mit einbeziehen in ihren Aktivismus.

Wie sieht Antisemitismus heute aus?
Ich glaube, im Prinzip hat sich der Antisemitismus selbst gar nicht so groß verändert. Es gab ja auch schon vor dem 7. Oktober viel israelbezogenen Antisemitismus, der in den letzten Jahrzehnten zu einer der Hauptformen von Antisemitismus aufgestiegen ist. Seitdem hat er sich aber sehr viel weiter verbreitet und ist spätestens jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Israelbezogener Antisemitismus ist, wie der Name schon sagt, auch Antisemitismus.
Vielen ist die Komplexität und auch die Wandlungsfähigkeit von antisemitischen Narrativen überhaupt nicht bewusst. Im Mittelalter hat man den Juden die Schuld an der Pest gegeben, vor ein paar Jahren haben die „Eliten“ angeblich Corona verbreitet. Das ist im Kern genau dasselbe antisemitische Narrativ von den bösen Juden, die Krankheiten verbreiten, es sind nur andere Codes, die genutzt werden, um von Jüdinnen*Juden zu sprechen. Antisemitismus wird in jedem Jahrhundert ein bisschen anders aussehen, aber der Kern bleibt derselbe, und zwar, dass Jüdinnen*Juden an den bösen Entwicklungen auf der Welt schuld sind, dass sie zu viel Macht haben, zu viel Einfluss.

Du hast zu Recht das Schweigen feministischer Gruppen zu der sexualisierten Gewalt am 7. Oktober kritisiert. Was hätte im letzten Jahr diesbezüglich eigentlich passieren müssen?
Feministische Gruppen haben eigentlich immer den Grundsatz „believe all women“, also Frauen und Betroffenen von sexualisierter Gewalt soll Glauben geschenkt werden und nicht den Tätern. Aber feministische Gruppen haben die explizit misogyne, sexualisierte Gewalt der Hamas geleugnet und relativiert und sie haben sogar auch den Spieß umgedreht und ein angeblich rassistisches Narrativ unterstellt. Man würde sich damit einreihen mit angeblich unhaltbaren Vorwürfen in eine lange Geschichte falscher Beschuldigung von Schwarzen bzw. BIPoC Männern, die weiße Frauen vergewaltigen. Und so sehr es natürlich berechtigt ist, solche rassistischen Narrative zu hinterfragen, ist es in diesem Fall eben komplett unangebracht, weil die Gewalt durch viele Berichte klar belegt ist. Das ist zutiefst antifeministisch.

Was bedeutet das für dich?
Dass Antisemitismus ansteigt, wenn der Nahostkonflikt hochkocht, ist etwas, das ich erwarte. Das überrascht mich nicht. Aber dass feministische Gruppen so konsequent ihre Grundsätze über Bord werfen, um die eigenen Narrative nicht hinterfragen zu müssen, das fand ich schon schockierend. Was es eigentlich gebraucht hätte, ist zu den eigenen Werten zu stehen, Vergewaltigungen nicht zu leugnen oder zu relativieren, sondern eine echte feministische Solidarität zu zeigen, auch wenn sie nicht in die eigenen Narrative und Vorstellungen passt, sondern die zu hinterfragen und Gleichzeitigkeiten auszuhalten. Die Verbrechen der Hamas zu verurteilen, heißt nicht, dass man unsolidarisch mit Palästinenser*innen ist. Ganz im Gegenteil, man muss die Hamas verurteilen, um solidarisch mit Palästinenser*innen zu sein.

Es ist ja auch nicht so, als ob in diesen Gruppen sexualisierte Gewalt als Kriegsverbrechen grundsätzlich kein Thema wäre. Zum einen sieht man das im Kontext von anderen Konflikten, wie dem russischen Krieg in der Ukraine oder auch bei sexualisierter Gewalt gegen Kurdinnen oder Jesidinnen, die zwar auch häufig nicht thematisiert wird, aber in der Regel von linken, feministischen Gruppen nicht geleugnet wird.  Zum anderen weisen diese Gruppen berechtigterweise auf sexualisierte Gewalt durch die IDF hin. Das hat auch seine Berechtigung. Man kann sich aber seine Solidarität nicht einfach wählen—hier passt sie in die eigenen Narrative und dort nicht – sondern feministische Solidarität heißt, dass man sich mit allen Opfern sexualisierter Gewalt solidarisiert.

Warum fällt es diesen Gruppen so schwer, sich explizit von der Hamas zu distanzieren?

Das hat mehrere Ursachen. Die Hamas passt nicht in dieses Narrativ von den Unterdrückten und den Unterdrückern, weil dann ja die Unterdrückten etwas Schlechtes machen. Zum anderen glaube ich, dass ein Teil auch einfach die Hamas nicht als Terrororganisation ansieht, sondern als eine Form legitimen Widerstands. Wenn man gegen eine angebliche Kolonialmacht kämpft, dann ist Terror legitim. Viele setzen sich auch einfach nicht genügend oder differenziert genug damit auseinander, was die Hamas alles gemacht hat.

Was sind momentan die größten Gefahren für jüdisches Leben in Deutschland?
Das lässt sich gar nicht mal so einfach beantworten – es gibt kurzfristige Gefahren, es gibt langfristige Gefahren. Ich glaube, Islamist*innen, islamistischer Terror, israelbezogener Antisemitismus sind definitiv eine sehr große Bedrohung für jüdisches Leben in Deutschland. Das merkt man an den wiederholten körperlichen Angriffen auf Jüdinnen*Juden, an Anschlagsplänen auf jüdische Einrichtungen, Institutionen, Synagogen. Islamismus ist aber nicht nur eine Gefahr für Jüdinnen*Juden in Deutschland, sondern auch für Jesidinnen, Kurdinnen und für andere Gruppen. Aber man darf auch nie vergessen, dass weiterhin rechtsextremistischer Antisemitismus, Antisemitismus von Rechten, ein Riesenproblem ist und langfristig ein Problem bleiben wird. Man darf nicht die AfD und ähnliche rechte Parteien und Gruppierungen aus dem Blick verlieren, weil die eine sehr große Gefahr für Jüdinnen*Juden sind.

Was wünschst du dir von der Zivilgesellschaft oder generell linken, emanzipatorischen Gruppen?
Ich wünsche mir zum einen, dass mehr Gleichzeitigkeiten ausgehalten werden können. Ich wünsche mir auch einfach, dass sich manche Menschen ein bisschen mehr zurückhalten. Ich sehe bei vielen, gerade bei linken Gruppen, einen White-Savior-Komplex. Viele von den lautesten Stimmen in Diskussionen, die ich mitbekomme, sind oft weiße Almans, die gar nicht mal so viel Ahnung vom Thema haben und vor allem auch no skin in the game haben. Also ob dort Leute sterben oder nicht, das macht die vielleicht traurig, aber das sind nicht deren Verwandte oder Freund*innen, aber trotzdem spielen sie sich zu den Retter*innen des Nahen Ostens auf. Anstatt sich selbst immer wieder in die Mitte und nach vorne zu stellen, erwarte ich von diesen Menschen eigentlich, dass sie Räume schaffen, damit sich Betroffene begegnen können, dass es einen Austausch geben kann und sie Betroffenen zuhören und diese Situation nicht immer weiter verschärfen und verhärten. Ich wünsche mir auch, dass es mehr Demonstrationen geben würde, auf denen weder antisemitische noch rassistische Parolen Platz finden und wir gemeinsam demonstrieren und uns für Frieden einsetzen können, ohne solche Narrative wiederzugeben. Ich wünsche mir von der deutschen Regierung und von Parteien in Deutschland, dass sie Jüdinnen*Juden weniger zum Spielball machen für ihre rassistische Politik und dass sie jüdisches Leben besser schützen, ohne rassistisch zu werden und Abschiebungen zu fordern.

https://www.bachhausen.de/tacheles_3-feministische-gruppen-haben-die-sexualisierte-gewalt-der-hamas-geleugnet/

Im Rahmen der letzten Mitte-Studie haben Wissenschaftler:innen unter anderem auch verschiedene Aspekte extremistischer Einstellungen nach Parteipräferenz getrennt analysiert. Dabei fiel auf, dass AfD-Sympathisant:innen nicht nur mehrheitlich zu Verschwörungsglauben, Rechtspopulismus oder Rassismus neigen, sondern vor allem, dass sie im Vergleich zu denen aller anderen Parteien mit Abstand den höchsten Hang zur Gewaltbereitschaft haben. Das sind besorgniserregende Erkenntnisse, die gerade diejenigen, die die AfD immer noch für eine harmlose Protestpartei halten, aufwecken sollten.

Gewaltanstieg seit AfD-Machtübernahme

Als im thüringischen Landkreis Sonneberg ein Kandidat der hier gesichert rechtsextremen AfD zum Landrat gewählt wurde und Volksverpetzer vom “Alarmsignal” sprach, wurde das oft belächelt und nicht so ernst genommen. “Ja, natürlich ist die AfD schlimm, aber was soll ein einzelner Landrat schon groß ausrichten”, hieß es oft. Nur ein Jahr später hatte sich dann bereits abgezeichnet, dass unsere Sorge nicht unbegründet war. Denn ausgerechnet in Sonneberg war die rechtsextreme Gewalt im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen.

Sonneberg: Gewalt-Anstieg durch AfD-Landrat?

Natürlich ist das nicht allein die Schuld des Landrats Sesselmann von der AfD. Denn der geht ja nicht abends durch die Straßen und schlägt Menschen zusammen. Gleichzeitig ist die Korrelation von AfD-Landrat und stark ansteigender rechtsextremer Gewalt natürlich kein kompletter Zufall. Doch gibt es wirklich einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen AfD-Nähe und Gewaltbereitschaft?

Dieser Frage ging eine Sonderauswertung nach, die auf der Mitte-Studie von 2022/23 aufbaut. In dieser Studie wurde untersucht, wie weit extrem rechte Einstellungen bereits in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen sind. Wissenschaftler der Uni Bielefeld haben nun in besagter Sonderauswertung zu der Studie noch genauer analysiert, welchen Zusammenhang es zwischen Parteipräferenz und Hang zur Gewaltbereitschaft gibt.

Mit Abstand höchste Gewaltbereitschaft bei AfD-Fans

Mit drei Fragen hat man ermittelt, wie die Befragten jeweils zu Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen stehen. Dabei gab es drei Kategorien: Ablehnung der Gewalt, Zustimmung (oder Billigung) zu Gewalt und der Graubereich. Zu letzterem gehören diejenigen, die Gewalt weder klar ablehnen noch klar zustimmen.

Diese Ergebnisse wurden jetzt noch einmal getrennt nach Partei-Sympathie ausgewertet. Wir haben die Daten der Wissenschaftler grafisch aufgearbeitet und dabei alle, die Gewalt nicht klar ablehnen, in Abstufungen von rot markiert. Das Ergebnis, aufgeschlüsselt nach Parteien, seht ihr hier:

Während sich bei fast allen Parteien eine absolute Mehrheit findet, die Gewalt entschieden ablehnt, sticht die AfD negativ heraus. Nur 48 % der Anhänger:innen der rechtsextremen Partei lehnen Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ab. Das sind deutlich weniger als beim “zweiten Platz”, der FDP mit 67 %. Die niedrigste Gewaltbereitschaft findet sich bei Linken (85 % lehnen Gewalt ab) und den Grünen (89 %).

Weitere Studien: Rechtsextreme Wahlerfolge führen zu rechtsextremer Gewalt

2023 analysierte eine Studie die Hintergründe von Gewalt gegen Flüchtlinge in Deutschland. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass die Gewalt zwar oft von männlichen, jüngeren Tätern mit niedrigerem Einkommen verübt werden, diese aber oft auf Unterstützung einer breiteren (also auch weiblicheren, besser verdienenden, älteren) Bevölkerungsschicht setzen können. Diese Unterstützung für Gewalt gegen Geflüchtete umfasst zwar immer noch weniger als ein Fünftel der Gesamtbevölkerung, reicht aber viel tiefer in die „Mitte der Gesellschaft“ hinein. Diese Unterstützer:innen von Gewalt sind dabei mit weitem Abstand am häufigsten AfD-Wähler:innen. Die Erkenntnisse decken sich also mit der Analyse zur Gewaltbereitschaft.

Rechte Gewaltbereitschaft vor Ort schon jetzt großes Problem

Rechte Gewalt ist kein neues Phänomen und sie war auch nie wirklich “weg”. Doch sie droht, sich zu einem Problem neuen Ausmaßes zu entwickeln. Denn Wahlerfolge rechtsextremer Parteien wie der AfD sorgen dafür, dass sich rechte Gewalttäter:innen ermutigt fühlen, dass sie eine Art gesellschaftlichen Rückenwind spüren und die Hürde, Gewalt anzuwenden, immer niedriger wird. Die wissenschaftlichen Untersuchungen aus diesem Artikel bestätigen diese Beobachtung. Zivilgesellschaftlich Engagierte in Regionen mit hohen AfD-Wahlergebnisse beklagen diesen Zusammenhang schon länger.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen warnten Opferberatungsstellen für Betroffene rechter Gewalt vor einem “Flächenbrand politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt“. Man dokumentiert rechte Bedrohungen in Thüringen fast täglich, so erhielt kurz vor den Wahlen der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald eine Morddrohung.

Wenn ihr euch informieren wollt, wie ihr die direkt betroffenen zivilgesellschaftlich aktiven Organisationen vor Ort unterstützen könnt, schaut mal bei unseren Orgakarten vorbei. Außerdem könnt ihr diesen Artikel mit euren Freund:innen oder eurer Familie zu teilen, um zu zeigen, dass die AfD nicht einfach nur eine abstrakte, “böse rechte” Partei ist, sondern ganz konkret die Sicherheit von Menschen gefährdet, weil sie die Gewaltbereitschaft ihrer rechtsextremen Klientel befeuert. Und fragt bei der Gelegenheit gern auch einmal bei euren Abgeordneten nach, wann sie denn endlich mal unsere Petition zur Prüfung eines AfD-Verbots mit mittlerweile über 850.000 Unterschriften ernst nehmen.

Prüfung des AfD-Verbots: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Artikelbild: canva.com

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https://www.bachhausen.de/analyse-afd-fans-haben-hoechste-gewaltbereitschaft/